Warum ist Forschung wichtig?

Krebs bei Kindern ist anders als bei Erwachsenen. Junge Patient*innen benötigen maßgeschneiderte Behandlungsansätze, die ihre besonderen biologischen Bedürfnisse berücksichtigen. Die Forschung an der St. Anna Kinderkrebsforschung macht genau das möglich: Sie bringt neueste wissenschaftlich-experimentelle Erkenntnisse mit den klinischen Bedürfnissen der Ärzt*innen in Einklang.

Durch die enge Verbindung von Grundlagenforschung und klinischer Anwendung können wir die Basis für Behandlungen schaffen, die nicht nur wirksamer sind, sondern auch schonender für die jungen Körper. Unser Ziel ist es, jedem Kind die bestmögliche, individuell angepasste Therapie zu bieten und dabei die Lebensqualität während und nach der Behandlung zu verbessern.

Eine Forscherin trägt orangene Handschuhe und pipettiert
©GilbertNovy

Was hat die Forschung bereits erreicht?

Die Erfolge der letzten 37 Jahre Forschung an der St. Anna Kinderkrebsforschung sind beeindruckend und retten täglich Kinderleben:

Dramatische Verbesserung der Überlebensraten: In den 60er Jahren starb noch jedes zweite Kind an Krebs. Heute überleben bei vielen Krebsarten über 80% der Patient*innen. Bei der häufigsten Kinderleukämie (ALL) werden sogar 95% der betroffenen Kinder wieder gesund. Diese Erfolge verdanken wir intensiver Forschung und unserem wachsenden Verständnis von Krebserkrankungen.

Knochenmarktransplantation: Früher kamen Eltern wegen Gewebeunverträglichkeit nicht als Knochenmarkspender für ihre Kinder in Frage. Wir waren auf Fremdspender*innen angewiesen, und die Suche nach diesen blieb oft ohne Erfolg. Heute können wir das Blut eines Elternteils so aufbereiten, dass es für eine Knochenmarktransplantation verwendet werden kann. Diese oft einzige Therapieoption lässt sich dadurch schneller und zuverlässiger anwenden.

Präzisionsmedizin in der Praxis: Neue molekularbiologische und immunologische Methoden helfen uns, Leukämien und solide Tumoren schneller zu diagnostizieren und viel präziser vorherzusagen, wie die Krankheit verlaufen wird. Dadurch können wir die Behandlung gezielt an die jeweilige Erkrankung anpassen – mit dem Ergebnis wirksamerer Therapien bei weniger Nebenwirkungen.

Früherkennung von Rückfällen: Durch unsere entwickelten Methoden können wir geringste Mengen an Tumorzellen im Knochenmark oder Blut identifizieren und so drohende Rückfälle früh erkennen und rasch bekämpfen. Bei ALL, der häufigsten Leukämieart, können wir bereits zwölf Wochen nach der Erstdiagnose die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalles abschätzen und die Therapie individuell abstimmen.

Flüssigbiopsien beim Hochrisiko-Neuroblastom: Bei 50% der betroffenen Neuroblastom Patient*innen besteht das Risiko, dass sie auf die Therapien nicht ansprechen und einen Rückfall erleben. Statt der teuren und invasiven Knochenmarkuntersuchung, werden nun Flüssigbiopsien etabliert. Mittels Blutprobe kann im Labor festgestellt werden, ob das Kind auf die Therapie anspricht, oder ob ein Rückfall droht.

Internationale Anerkennung: Die St. Anna Kinderkrebsforschung zählt heute zu den renommiertesten Adressen weltweit, wenn es um Expertise bei Kinderkrebs geht. Unsere Forschungsergebnisse fließen in internationale Behandlungsstandards ein und helfen Kindern auf der ganzen Welt. Zudem sind wir Mitglied im Europäischen Referenznetzwerk für Kinderkrebs (ERN PaedCan), einem EU-weiten Netzwerk, das Fachwissen vermittelt, virtuelle Tumorboards ermöglicht und so grenzüberschreitend hochwertige Kinderkrebsvorsorge gewährleistet – ganz gleich, wo ein Kind lebt.

©LeilaWinkler

Was wird bei uns geforscht?

Mit mehr als 150 Mitarbeiter*innen in fünfzehn spezialisierten Forschungsgruppen arbeiten wir in verschiedenen Forschungsclustern daran, die Kinderkrebsforschung kontinuierlich voranzutreiben:

Leukämie

Leukämie ist die häufigste Krebserkrankung bei Kindern und betrifft das blutbildende System. Die genauen Ursachen für die Entstehung von Leukämien bei Kindern sind bislang weitgehend unklar. Fest steht, dass die Krankheit mit einer Veränderung im Erbgut der Zelle einhergeht und seinen Ursprung im Knochenmark hat.

Die Herausforderung liegt darin, dass die Krankheit sehr schnell voranschreitet und eine sofortige, präzise Behandlung erfordert. Die akute lymphatische Leukämie kann bei Ausbleiben einer Behandlung innerhalb weniger Monate zum Tod führen. Doch Therapien müssen nicht nur schnell erfolgen, sondern auch individuell an die Bedürfnisse von Kindern angepasst werden, um bestmögliche Heilungschancen bei minimalen Nebenwirkungen zu erreichen.

Unsere Forschungsschwerpunkte

  • Immundiagnostik: Wir entwickeln fortschrittliche Verfahren zur Messung minimaler Resterkrankung und nutzen maschinelles Lernen für präzisere Diagnostik
  • Biologie von Onkoproteinen der pädiatrischen Leukämie: Wir erforschen die Rolle der Onkoproteine bei der Leukämieentstehung, um neue Wirkstoffziele zu identifizieren
  • Pädiatrische Leukämiebiologie: Wir untersuchen nicht-kodierende Genomregionen und epigenetische Faktoren, die zur Therapieresistenz beitragen
  • Genetik von Leukämien: Wir identifizieren genetische Veränderungen, die an der Entstehung, Entwicklung und dem Voranschreiten von Leukämie beteiligt sind
  • Molekulare Mikrobiologie: Wir erforschen die Architektur von Subklonen bei Ph-positive Leukämien wie der CML oder ALL.
Solide Tumore

Solide Tumore sind feste Gewebswucherungen, die sich von Blutkrebs (Leukämie) unterscheiden. Bei Kindern sind sie nach Leukämien die zweithäufigste Krebsart. An der St. Anna Kinderkrebsforschung erforschen wir intensiv drei besonders relevante solide Tumore des Kindesalters:

Das Neuroblastom ist der häufigste solide Tumor bei Kleinkindern und kann sehr unterschiedliche Verläufe zeigen – von spontaner Heilung bis hin zu aggressiver Metastasierung. Das Ewing-Sarkom ist ein seltener, aber hochaggressiver Knochentumor, der hauptsächlich Kinder und Jugendliche betrifft. Die Langerhans-Zell-Histiozytose (LCH) ist eine seltene Erkrankung, bei der sich bestimmte Immunzellen unkontrolliert vermehren. Detaillierte Informationen zu diesen Krebsarten finden Sie in unserem Krebslexikon.

Unsere Forschungsschwerpunkte:

  • Tumorbiologie: Wir untersuchen die Entstehung und Entwicklung des Neuroblastoms und entwickeln präzisionsmedizinische Ansätze zur Behandlung von Kindern mit malignen Tumoren
  • Molekularbiologie solider Tumoren: Unsere Forschung konzentriert sich vorwiegend auf die Entstehung und Progression bösartiger Knochentumoren und erforschen dabei neue Therapieansätze durch 3D-Tumormodelle
  • LCH-Biologie: Wir erforschen die zelluläre Vielfalt in LCH-Läsionen, um krankheitsspezifische Behandlungsmodelle entwickeln zu können
  • Tumorentstehung im Kindesalter: Wir erforschen, warum manche Zellen mit Mutationen bösartig werden und andere nicht
  • Epigenom-basierte Präzisionsmedizin: Wir untersuchen, wie Fusionsproteine gesunde Zellen auf Bösartigkeit umprogrammieren, um gezielte Therapien für Sarkome zu entwickeln
Immunologie/Hämatologie/Immuntherapie

Das Immunsystem von Kindern funktioniert anders als das von Erwachsenen. Gleichzeitig bietet es große Chancen für innovative Behandlungsansätze. Die Herausforderung: Wie können wir das körpereigene Immunsystem so stärken und lenken, dass es Krebszellen effektiv bekämpft, ohne gesunde Zellen zu schädigen?

Unsere Forschungsschwerpunkte:

Bioinformatik & Modelle

Moderne Krebsforschung generiert riesige Datenmengen. Die Herausforderung: Wie können wir aus genetischen Daten, Behandlungsverläufen und Patientencharakteristika die richtigen Schlüsse ziehen? Unsere Bioinformatik-Experten entwickeln computergestützte Modelle, die dabei helfen, Krankheitsverläufe vorherzusagen und optimale Behandlungsstrategien zu identifizieren.

Unsere Forschungsschwerpunkte:

  • Krebsentwicklung und Genomik: Wir untersuchen die Entwicklung und die Mutationsprozesse bei pädiatrischen Krebserkrankungen, um zu verstehen, warum Patienten unterschiedlich auf die Behandlung ansprechen
  • Entwicklungsbiologie und Krebsgenomik: Wir wenden moderne Genomik-Technologien und computergestützte Analysen an, um mittels Statistik und maschinellen Lernen das molekulare Gerüst der Krebsentstehung verstehen zu lernen.
Klinische Studien

Die beste Forschung nützt nichts, wenn sie nicht bei den Patient*innen ankommt. Bevor neue Behandlungen routinemäßig eingesetzt werden können, müssen diese sicher und wirksam sein. Unsere klinischen Studien testen neue Therapieansätze systematisch und schaffen die Brücke zwischen Laborforschung und Patientenversorgung.