‚Zusammenarbeiten‘ mit Sabine Strehl
In der heutigen biomedizinischen Forschung ist interdisziplinäre Zusammenarbeit unerlässlich. Während Leukämie die häufigste Krebserkrankung im Kindesalter ist, sind bestimmte Subtypen äußerst selten. Das macht internationale Studien erforderlich, um umfassenden Daten zu sammeln und die Pathogenese und prognostische Relevanz zu verstehen. Sabine Strehl konzentriert sich in ihrer Forschung darauf, die genetischen Mechanismen hinter der Entwicklung von Leukämie zu entschlüsseln. Sie betont wie wichtig robuste Forschungsdaten und die Zusammenarbeit mit Expert*innen aus verschiedenen Disziplinen ist, um erfolgreich zu sein.
Sabine Strehl ist seit der Gründung der St. Anna Kinderkrebsforschung dort tätig und leitet die Forschungsgruppe Genetik der Leukämie. Zusammen mit ihrem Team möchte sie die genetischen Mechanismen entschlüsseln, die für die Entwicklung einer Leukämie und das Fortschreiten der Erkrankung verantwortlich sind. Deshalb widmet sich ihre Forschungsgruppe intensiv der molekularen Charakterisierung der Leukämie, um ein besseres Verständnis der Krankheit zu erlangen und dadurch die Entwicklung neuer, gezielter Therapien zu ermöglichen. Der Austausch mit anderen Wissenschaftler*innen steht dabei im Mittelpunkt: Nur durch enge Zusammenarbeit mit Bioinformatiker*innen, Datenwissenschaftler*innen und Onkolog*innen können komplexe Datensätze generiert und analysiert werden, was für die Beantwortung zentraler Fragen der Leukämiegenetik unerlässlich ist.
Sabine Strehl rät jungen Forscher*innen, ihre Arbeit auf nationalen und internationalen Konferenzen zu präsentieren, um Feedback von Expert*innen zu erhalten. An der St. Anna Kinderkrebsforschung gibt es zahlreiche Möglichkeiten zum Networken, wie beispielsweise durch interne Seminare, Vorträge eingeladener Referent*innen und soziale Veranstaltungen, die alle eine Basis für wissenschaftliche Kooperationen legen.
Science Communication Team: Inwieweit spielen interdisziplinäre Zusammenarbeit und Wissensaustausch eine Rolle in Ihrer Forschung?
Sabine Strehl: „In den Schuhen des anderen gehen“ bedeutet, dass wir, die experimentell Forschenden, Seite an Seite mit Bioinformatiker*innen arbeiten, um die Pathogenese und das Fortschreiten der Leukämie besser zu verstehen. Unsere unterschiedlichen Hintergründe und Fachkenntnisse über Disziplinen hinweg zu bündeln, eröffnet neue Perspektiven, um herausfordernde biomedizinischer Fragestellungen zu bewältigen.
Science Communication Team: Inwieweit hat sich die Bedeutung der Zusammenarbeit aufgrund des technologischen Fortschritts verändert?
Sabine Strehl: Der zunehmende Einsatz von Next-Generation-Sequencing Ansätzen zur Beantwortung ungelöster biologischer Fragen und die Komplexität der daraus resultierenden Daten erfordern eine enge Zusammenarbeit mit Datenwissenschaftler*innen. Bereits in den frühesten Phasen der Projektentwicklung arbeiten wir eng mit Bioinformatiker*innen und Datenwissenschaftler*innen zusammen, um Fragestellungen zu formulieren und das experimentelle Design zu planen. Diese Art der Zusammenarbeit ist entscheidend für die Generierung aussagekräftiger funktioneller Genomik-Datensätze und für deren integrative Analyse.
Science Communication Team: Welche spezifischen Projekte oder Forschungsthemen verbinden Sie und Ihre Forschungsgruppe mit anderen Gruppen innerhalb der St. Anna Kinderkrebsforschung?
Sabine Strehl: Derzeit modellieren wir die akute Megakaryoblastenleukämie (AMKL), die durch Fusionsproteine verursacht wird, und kombinieren dabei CRISPR/Cas9-Genom-Editierung mit der in vitro-Differenzierung humaner induzierter pluripotenter Stammzellen in hämatopoetische Stamm- und Vorläuferzellen. Um die Entwicklungsverläufe der Leukämie zu verstehen, wenden wir funktionelle Genomik-Assays an, darunter Einzelzell-RNA-seq, ATAC-seq und ChIP-seq. Das Team für Entwicklungsbiologie & Krebsgenomik unter der Leitung von Florian Halbritter führt die integrativen Bioinformatikanalysen durch.
Zusammen mit der Gruppe für Immundiagnostik von Michael N. Dworzak wollen wir durch die Vorhersage der Antigenexpression an der Zelloberfläche über das Genexpressionsprofil die Korrelation zwischen zugrunde liegenden genetischen Veränderungen und den charakteristischen immunphänotypischen Merkmalen der leukämischen Blasten, die mittels Durchflusszytometrie bestimmt werden, verfeinern. Dieses Unterfangen zielt nicht nur darauf ab, die genetische Analyse zu leiten, sondern auch die Krankheitsklassifikation zu verbessern und Marker für eine empfindliche und robuste Leukämiedetektion zur Überwachung der messbaren Resterkrankungen – eine der wichtigsten Grundlagen der Risikostratifikation – zu identifizieren, sowie Ziele für die Immuntherapie zu finden.
Science Communication Team: Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit mit den anderen Gruppen?
Sabine Strehl: Gemeinsames Brainstorming und der Austausch von Ideen sind kreativ und unterhaltsam. Der Reiz der Zusammenarbeit mit anderen Gruppen liegt für mich darin, mit Menschen aus verschiedenen Disziplinen zu interagieren und wissenschaftliche Fragen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Das erweitert den Horizont und erhöht die Chancen auf Erfolg.
Science Communication Team: Welchen Rat haben Sie für junge Forscher, die gerade erst anfangen, ein Netzwerk aufzubauen?
Sabine Strehl: Die Teilnahme an nationalen und internationalen Tagungen früh in der Karriere bietet eine wertvolle Gelegenheit, die eigene Arbeit zu präsentieren, Feedback von Expert*innen zu erhalten und Kontakte zu Kolleg*innen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zu knüpfen. An der St. Anna Kinderkrebsforschung ist die Teilnahme an internen Seminaren und Vorträgen eingeladener Referent*innen der Schlüssel, um sich mit wissenschaftlichen Fragestellungen und den Ansätzen, die verschiedene Forschungsgruppen zur Lösung dieser Fragen verfolgen, vertraut zu machen. Auch wenn nicht alle Kolleg*innen zu besten Freund*innen werden müssen, erleichtert das persönliche Kennen die Kommunikation. Daher fördern auch die Teilnahme an sozialen Veranstaltungen und gelegentliches gemeinsames Ausgehen mit Kolleg*innen die wissenschaftliche Zusammenarbeit.
Science Communication Team: Wie würden Sie die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit für den Erfolg Ihrer Forschungsgruppe bewerten?
Sabine Strehl: Obwohl Leukämie die häufigste Krebserkrankung im Kindesalter ist, handelt es sich dennoch um eine seltene Krankheit. Internationale kollaborative Forschungsprojekte liefern oft Erkenntnisse, die über das hinausgehen, was ein einzelnes Team erreichen könnte, etwa die Untersuchung der prognostischen Relevanz seltener Leukämiesubtypen zur Verfeinerung der Risikostratifizierung und Optimierung der Therapie. Kooperationen und Teamarbeit über organisatorische und kulturelle Grenzen hinweg zwingen einen dazu, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und erweitern das Potenzial für Entdeckungen und Erfolg.