Wie bekämpft man Pilzinfektionen bei immungeschwächten Patient*innen?

(Wien, 17.10. 2024) Eine neue Studie der St. Anna Kinderkrebsforschung warnt vor den verborgenen Gefahren invasiver Pilzinfektionen bei immungeschwächten Patient*innen. Das internationale Forscherteam unter der Leitung der Wissenschafter:innen Chantal Lucini, Klára Obrová und Thomas Lion hat herausgefunden, dass prophylaktische Behandlungen mit Antimykotika zwar das Risiko von Pilzinfektionen bei Patient*innen, die sich beispielsweise einer intensiven Chemotherapie oder Stammzelltransplantation unterziehen, deutlich senken können, aber auch neue Herausforderungen mit sich bringen. Die Studie wurde kürzlich im renommierten Journal of Hematology & Oncology veröffentlicht und hat in der medizinischen Fachwelt große Aufmerksamkeit erregt.

Invasive Pilzinfektionen stellen eine erhebliche Bedrohung für Menschen mit geschwächtem Immunsystem dar, da ihr Körper oft nicht in der Lage ist, diese gefährlichen Erreger selbst zu bekämpfen. Die klinische Praxis setzt auf prophylaktische Antimykotika, die vorbeugend verabreicht werden, um das Auftreten von Infektionen zu verhindern. Doch die vorliegende Studie zeigt, dass dieser Ansatz nicht ohne Risiken ist: Zum einen sind die eingesetzten Medikamente oft toxisch und teuer, zum anderen führt die prophylaktische Behandlung zunehmend zu sogenannten Durchbruchinfektionen. Diese werden von bisher seltenen Pilzarten verursacht, die gegen die eingesetzten Antimykotika resistent sind. Das macht es besonders schwer, diese Infektionen zu diagnostizieren und wirksam zu behandeln.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, entwickelte das Forschungsteam neue molekulare Nachweismethoden auf Basis der sogenannten „panfungalen“ PCR-Technologie. Diese zur Patentierung eingereichte Methode ermöglicht es, über 100 verschiedene Pilzarten schnell und sensitiv zu erkennen, darunter auch jene, die herkömmliche Diagnoseverfahren nicht erfassen können. Diese fortschrittlichen Tests sind besonders wertvoll, da sie nicht nur eine schnelle Identifizierung der Erreger ermöglichen, sondern auch in der Lage sind, seltene Pilze zu erkennen, die bei immungeschwächten Patient*innen lebensgefährliche Infektionen auslösen können. Ein frühzeitiger Therapiebeginn bei invasiven Infektionen mit klinisch relevanten Pilzen ist für den Behandlungserfolg entscheidend.

Nicht jede Infektion erfordert Behandlung

Die Studie umfasste eine multizentrische Untersuchung von 195 pädiatrischen und erwachsenen Hochrisikopatienten, darunter viele Krebspatienten, die sich intensiven Chemotherapien unterzogen oder eine allogene Stammzelltransplantation erhielten. Insgesamt wurden 935 Blutproben analysiert, die zeigten, dass in vielen Fällen DNA von Pflanzen-assoziierten Pilzen nachgewiesen wurde, die normalerweise als harmlos gelten. Dies verdeutlicht eine zentrale Erkenntnis der Studie: Nicht jede nachgewiesene Pilzinfektion erfordert automatisch eine Behandlung. Es ist entscheidend, genau zu bestimmen, welche Pilze tatsächlich gefährlich sind, um einerseits eine rasche Therapie zu ermöglichen, andererseits aber unnötige und belastende Therapien zu vermeiden.

Erkennung allein reicht nicht

Das Forschungsteam betont daher, dass molekulare Screening-Verfahren zwar ein mächtiges Werkzeug darstellen, jedoch mit Vorsicht eingesetzt werden müssen. Eine genaue Identifikation der Pilzarten ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass nur potenziell gefährliche Infektionen behandelt werden und so unnötige medikamentöse Behandlungen vermieden werden. Diese Balance ist entscheidend, um die Behandlung von Hochrisikopatienten wie Kindern, die sich einer Krebsbehandlung unterziehen, zu optimieren.

Thomas Lion, Gruppenleiter an der St. Anna Kinderkrebsforschung, und ärztlicher Direktor der Tochterinstitution Labdia Labordiagnostik GmbH fasst die Bedeutung der Ergebnisse zusammen: „Unsere Forschung zeigt, dass der Einsatz von breit angelegten Screening-Methoden eine große Verantwortung mit sich bringt. Es reicht nicht aus, das Vorhandensein von Pilz-DNA nachzuweisen; die Identifikation der genauen Pilzart ist entscheidend, um die richtige Behandlung zu wählen und das Risiko unnötiger Therapien zu verringern.“

Was bedeutet die Studie für die Patient*innen?

Diese Studie ist ein bedeutender Fortschritt im Verständnis und im Umgang mit invasiven Pilzinfektionen bei immungeschwächten Patienten. Sie hebt die Notwendigkeit hervor, molekulare Diagnosemethoden kritisch zu nutzen, um zwischen harmlosen und gefährlichen Pilzen zu unterscheiden. Damit könnte langfristig die klinische Behandlung von Krebspatienten verbessert werden, indem lebensrettende Therapien gezielter eingesetzt und zugleich Nebenwirkungen und unnötige Behandlungen reduziert werden.

Die Arbeit wurde im Rahmen des EU-Projekts FUNGITECT durchgeführt und finanziell unterstützt, was die Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit in der medizinischen Forschung unterstreicht. Die Ergebnisse bieten wertvolle neue Erkenntnisse für Kliniken und Mediziner*innen, die täglich mit der Herausforderung kämpfen, ihre immungeschwächten Patient*innen vor lebensbedrohlichen Infektionen zu schützen, ohne sie unnötigen Risiken auszusetzen.

Paper:
Lucini C, Obrová K, Krickl I, Nogueira F, Kocmanová I, Herndlhofer S, Gleixner KV, Sperr WR, Frank T, Andrade N, Peters C, Engstler G, Dworzak M, Attarbaschi A, van Grotel M, van den Heuvel-Eibrink MM, Moiseev IS, Rogacheva Y, Zubarovskaya L, Zubarovskaya N, Pichler H, Lawitschka A1, Koller E, Keil F, Mayer J, Weinbergerová B, Valent P, and Lion T. Prevalence of fungal DNAemia mediated by putatively non-pathogenic fungi in immunocompromised patients with febrile neutropenia: a prospective cohort study. J Hem Oncol 2024, 17: 63-8.