Von Forschung zur Klinik: Das Pharmakogenomik-Symposium der St. Anna Kinderkrebsforschung

Die St. Anna Kinderkrebsforschung veranstaltete das erste Pharmakogenomik-Symposium, und verband damit Wissenschaft und klinische Praxis in der Präzisionsonkologie. Die renommierten Referent:innen Dr. Mary Relling und Dr. William Evans zeigten die Notwendigkeit standardisierter Richtlinien bezüglich genetischer Daten bei der Medikamentenverordnung auf und sprachen über die Fortschritte in der Behandlung von Leukämie bei Kindern.

Zusammenfassung:

  • Die Genomtestung wird zunehmend zugänglich, was standardisierte Richtlinien zur Nutzung dieser Daten erfordert.
  • Standardisierte Behandlungsmethoden haben die Überlebensrate von ALL-Patienten auf 80% erhöht.
  • Genetische Faktoren können den Stoffwechsel von Arzneimittel und die Behandlungssensitivität beeinflussen.
  • Trotz besserer Überlebensraten sterben mehr Kinder an ALL als an jedem soliden Tumor.

Pharmakogenomik steht im Mittelpunkt der Präzisionsonkologie, einem Bereich, der in der Krebsbehandlung zunehmend an Bedeutung gewinnt. An der St. Anna Kinderkrebsforschung, wo ein Programm für Präzisionsonkologie Innovationen in der Patientenversorgung vorantreibt, fand kürzlich das erste Pharmakogenomik-Symposium statt. Diese Veranstaltung belegt das Engagement des Instituts, wegweisende Forschung mit klinischer Praxis zu verknüpfen.

Dr. Leo Kager, Leiter des Instituts und medizinischer Leiter der Abteilung für Hämatologie und Onkologie am St. Anna Kinderspital, stellte die herausragenden Referent:innen vor: Dr. Markus Müller sowie Dr. Mary Relling und Dr. William Evans, mit denen Dr. Kager in der Vergangenheit bereits zusammengearbeitet hat. „Inspiration, Motivation, Respekt, Vertrauen – dies sind die Grundlagen unserer Freundschaft und Zusammenarbeit“, sagte Dr. Kager.

Österreichs medizinische Reise
Dr. Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien und weltweit anerkannter Pharmakologe, führte das internationale Publikum durch die unruhige Geschichte der Medizin in Österreich und hob dabei die Beiträge von Institutionen wie der St. Anna Kinderkrebsforschung hervor. „Ein Schlüssel dieser Erfolgsgeschichte waren die Menschen“, sagte Müller. Er wies darauf hin, dass Österreich weniger für die Gesundheitsversorgung ausgibt als beispielsweise die USA, und dennoch mehr Ärzte pro Kopf hat, was die Effizienz des österreichischen Systems widerspiegelt. Müller stellte auch den Bau von 80 km² KI-Infrastruktur am AKH vor, um die Präzisionsmedizin weiter zu verbessern.

Pionierarbeit in der Präzisionsmedizin in der pädiatrischen Onkologie

Dr. Mary Relling, bekannt für ihre wegweisende Arbeit in der Pharmakogenomik, sprach über die Herausforderungen, Medikamentenverordnungen an genetische Informationen anzupassen. Als Mitglied des Clinical Pharmacogenetics Implementation Consortium (CPIC) betonte sie die Schlüsselrolle des Konsortiums: An Institutionen wie dem St. Jude Children’s Research Hospital wird daran gearbeitet, genetischer Entdeckungen in praktische Anwendungen umzusetzen. Sie gliedert die Forschung in zwei Teilgebiete: Die Entdeckung und die Implementierung. „Der Zweck der Entdeckungsforschung besteht darin, genetische Risikofaktoren für schlechte Ergebnisse zu finden und die Mechanismen dahinter besser zu verstehen, um eben solche Ergebnisse zu verhindern“, erklärte Dr. Relling. Da Genomtests zunehmend zugänglicher werden, wächst auch die Nachfrage nach individualisierten Behandlungen. Dadurch verschiebt sich der Fokus von der Frage, ob genetische Tests durchgeführt werden sollen, auf ‚wie können genetische Informationen zur individualisierten Verschreibung genutzt werden?‘.

Kategorisierung von Gen-Arzneimittel-Paaren

Als Antwort auf diese Herausforderungen hat das CPIC standardisierte klinische Richtlinien entwickelt, die Ärzt:innen weltweit helfen sollen, genetische Daten für maßgeschneiderte Patientenversorgung zu nutzen. Dr. Relling betonte die Strenge und Zugänglichkeit der Richtlinien des CPIC: „Unsere Leitlinien sind peer-reviewed, gemeinnützig, frei zugänglich, aktuell und in genetischen Testregistern weltweit zitiert. Wir pflegen strenge Richtlinien zur Vermeidung von Interessenkonflikten bei unseren Autor:innen.“ 

Die Leitlinien kategorisieren Gen-Arzneimittel-Paare als ‚handlungsfähig‘ oder ‚nicht handlungsfähig‘ und helfen Ärzt:innen, Behandlungsentscheidungen auf der Grundlage robuster Beweise zu treffen. „Wir haben über 590 Mitglieder in 36 Ländern – so versuchen wir, unsere Leitlinien so international anwendbar wie möglich zu gestalten“, sagt Dr. Relling und verdeutlicht damit die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit.

Förderung der Behandlung von Kinderleukämie durch Genetik

Ein weiterer Referent war Dr. William Evans, ehemaliger CEO des St. Jude Children’s Research Hospital. Er hat einen Großteil seiner Karriere der Verbesserung der Ergebnisse für Kinder mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) gewidmet. „Das Geheimnis des Erfolgs sind die Menschen und die Schaffung einer Umgebung, in der sie zusammenarbeiten und ihre beste Arbeit leisten können“, betonte er während seines Vortrags. In den frühen 90er Jahren lag die ereignisfreie Überlebensrate für ALL bei 80%, was in der Praxis bedeutet, dass mehr Kinder an ALL sterben als an jedem soliden Tumor, da ALL die häufigste Krebsart bei Kindern ist. Ursprünglich erhielten die Patient:innen die gleiche Behandlung, die lediglich an die Körperoberfläche angepasst wurde. Das führte zu unterschiedlichen Ergebnissen und erheblichen Toxizitäten. Die Herausforderung bestand darin, zu identifizieren, welche Patient:innen schlecht auf standardisierte Behandlungen ansprachen.

Anpassung der Behandlungen auf der Grundlage genetischer Varianten

Dr. Evans und sein Team haben daran gearbeitet, die genetischen Faktoren zu verstehen, die den Arzneimittelstoffwechsel und die Behandlungssensitivität beeinflussen. Durch die Untersuchung genetischer Varianten haben sie entdeckt, wie bestimmte Gene die Arzneimittelverarbeitung und die Ansprechrate der Patient:innen beeinflussen. „Sobald wir diese Varianten identifiziert hatten, konnten wir Phänotyp-Aktivitätsmessungen oder Genotyp-Bewertungen implementieren, um Behandlungen maßzuschneidern“, erklärte Dr. Evans. Dieser Ansatz reduzierte die Toxizität und verbesserte die Ergebnisse.

Um Gene zu identifizieren, die mit Resistenzen gegenüber Medikamenten in Verbindung stehen, haben die Forscher:innen zusätzliche molekulare Profiling-Methoden zur Unterstützung ihrer Ergebnisse einbezogen. Tatsächlich waren 93% der mRNAs, die mit diesen Resistenzen verbunden waren, mit einer oder mehreren zusätzlichen Genvariantentypen verbunden.

Heute, mit einer ereignisfreien Überlebensrate von 92% für ALL, setzt die laufende Forschung fort, sowohl Keimbahn- als auch somatische Varianten zu erkunden, um personalisierte Behandlungsstrategien zu verbessern.