Schwerpunkte Forschung

Mehr als 150 MitarbeiterInnen in fünfzehn spezialisierten Abteilungen arbeiten heute daran, die Kinderkrebsforschung beständig voranzutreiben. Jede dieser Gruppen konzentriert sich auf eigene, klar umrissene medizinische Schwerpunkte: Während manche Experten die Biologie von Leukämien oder Tumoren zu entschlüsseln trachten und zentrale genetische Schalter der Krebsentstehung aufspüren, schärfen andere die Diagnostik, studieren das molekulare Profil der unter Kindern verbreitetsten Krebsleiden, entwerfen klinische Studien zum Test neuer Präparate, führen Zellen des Immunsystems gegen Tumoren ins Feld oder suchen neue Wege, geschwächte Patienten vor fatalen Infektionen mit Viren und Pilzen zu schützen. Zusammengefasst werden auf den Gebieten Tumorgenomik und -epigenomik, Immunologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Bioinformatik und klinische Forschung gemeinsam daran gearbeitet, neueste wissenschaftlich-experimentelle Erkenntnisse mit den klinischen Bedürfnissen der Ärztinnen und Ärzte in Einklang zu bringen und das Wohlergehen der jungen Patientinnen und Patienten nachhaltig zu verbessern.

Mit diesem breiten Fächer an Initiativen zählt das Wiener Forschungsinstitut längst zu den renommiertesten Adressen weltweit, wenn es um die Expertise bei Kinderkrebs geht. Dieser Ruf ist das Resultat vor fast schon 35 Jahren beharrlicher Forschungstätigkeit. Dass das Institut eines Tages diesen Stellenwert erreichen würde, hätte sich im Juni 1988, als alles begann, nicht einmal der kühnste Visionär gedacht.

Kinderkrebs-Überlebensrate in Deutschland, 1940 – 2015
2-Jahres-Überleben bis 1980, ab 1980 5-Jahres-Überleben

Bösartige Erkrankungen (Leukämien und solide Tumoren) sind durch genetische Veränderungen in den Tumorzellen gekennzeichnet. Diese Abweichungen von der Normalzelle können wertvolle Hinweise auf den Ursprung der Krebserkrankung liefern. Noch entscheidender ist der Umstand, dass gewisse Veränderungen der Erbsubstanz Vorhersagen über den Krankheitsverlauf ermöglichen.

Wir haben molekularbiologische und immunologische Methoden entwickelt und adaptiert, die die Identifikation diagnostischer bzw. prognostischer Faktoren bei Leukämien und soliden Tumoren des Kindesalters schneller und zuverlässiger als herkömmliche Ansätze erlauben. Diese Technologien testen wir im Labor in einem stufenweisen Verfahren auf ihre Verwertbarkeit in der klinischen Praxis. Der Einsatz dieser Methoden führte dazu, dass heute in vielen Fällen die Behandlung besser auf die Biologie der Erkrankung abgestimmt werden kann. Dies bedeutet auch für die Zukunft, dass die individuelle Situation des jugendlichen Patienten bei der Behandlung noch besser berücksichtigt werden kann.

So war es uns möglich, beim Neuroblastom in einigen Fällen auf eine Chemotherapie zu verzichten und mit einem rein chirurgischen Vorgehen eine völlige Heilung des Patienten zu erreichen. Dies wäre ohne genaue Kenntnis der Biologie dieses Tumors nicht möglich. Zudem können wir durch einige der von uns angewandten Methoden geringste Mengen an im Knochenmark oder Blut zirkulierenden Tumorzellen identifizieren. Dies soll wiederum helfen, möglichst früh einen drohenden Rückfall der Erkrankung zu erkennen, um ihn rasch zu bekämpfen. So gelingt es z.B. bei der häufigsten Leukämieart die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalles bereits zwölf Wochen nach der Erstdiagnose abzuschätzen und damit die Therapie individuell abzustimmen.

Im Bereich der Knochenmarktransplantation konnte die Forschung maßgeblich dazu beitragen, dass dieses wichtige und oftmals einzige therapeutische Vorgehen schneller und zuverlässiger angewendet werden kann. Aufgrund der Gewebeunverträglichkeit sind bisher Eltern von krebskranken Kindern als Knochenmarkspender für ihre Kinder nicht in Frage gekommen und wir waren auf Fremdspender angewiesen. Die Suche nach diesen war oft nicht erfolgreich.

Durch neueste Fortschritte in unserer Forschung haben wir jetzt die Möglichkeit, in Fällen, wo kein geeigneter Knochenmarkspender zu finden ist, das Blut eines Elternteiles so aufzubereiten, dass es für eine Knochenmarktransplantation herangezogen werden kann. Das bedeutet wieder einen Schritt weiter auf unserem Weg, die Überlebenschancen der krebskranken Kinder zu erhöhen.

Neben diesen klinisch angewandten Forschungszweigen werden im Forschungsinstitut für krebskranke Kinder auch Projekte bearbeitet, die sich mit grundlegenden Fragen über die Tumorentstehung bzw. über das Wechselspiel zwischen Tumorzellen und Normalzellen beschäftigen. Diese Grundlagenforschung hat sich bereits sehr befruchtend auf die klinische Arbeit ausgewirkt.

Das Zusammenspiel zwischen behandelndem Arzt, angewandter Forschung und Grundlagenforschung sehen wir auch als Basis unserer zukünftigen Arbeit an, damit den kleinen Patienten noch effizienter geholfen werden kann.

Leukämie im Kindesalter

Die Leukämie ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems, deren Ursprung im Knochenmark liegt. Der Name, der übersetzt „weißes Blut“ bedeutet, nimmt Bezug auf die rasche und unkontrollierte Vermehrung der weißen Blutkörperchen oder Leukozyten, die die Produktion der normalen Blutzellen zunehmend beeinträchtigt. Die häufigste Leukämie bei Kindern und Jugendlichen ist die akute lymphatische Leukämie (ALL), gefolgt von der akuten myeloischen (AML) und der chronisch myeloischen Leukämie (CML). Die Ursachen für die Entstehung von Leukämien sind bislang weitgehend unklar; fest steht, dass die Krankheit mit einer Veränderung im Erbgut der Zelle einhergeht, zudem legen wissenschaftliche Erkenntnisse nahe, dass bei der Krankheitsentstehung neben genetischen und immunologischen Faktoren auch Umwelteinflüsse eine Rolle spielen. Die ALL kann aufgrund ihres raschen Verlaufs ohne Behandlung innerhalb weniger Monate zum Tod führen. Ziel einer risikoadaptierten Therapie mit Chemotherapie und/oder Strahlentherapie bzw. Stammzelltransplantation ist die möglichst vollständige Vernichtung der Leukämiezellen. Dank einer anhand der Forschungsergebnisse ständig optimierten und auf die kleinen Patienten zugeschnittenen Behandlung bestehen bei der ALL inzwischen die besten Heilungschancen – 90 Prozent der betroffenen Kinder werden wieder gesund.