Survivorship Passport: Für ein besseres Leben nach Krebs im Kindes- und Jugendalter

EU fördert Forschungsprojekt zur Verbesserung der Langzeitnachsorge von Kinderkrebsüberlebenden mit vier Millionen Euro.

In Europa erkranken jährlich 35.000 Kinder und Jugendliche an Krebs, davon etwa 300 in Österreich. Dank erfolgreicher Therapien ist die Überlebensrate in den letzten Jahrzehnten in ressourcenreichen europäischen Ländern von 20 auf 80 Prozent gestiegen. Allerdings haben 60 bis 70 Prozent aller Überlebenden weltweit mit Spätfolgen der Erkrankung und deren Behandlung zu kämpfen. Eine besondere Herausforderung für die langfristige Nachsorge besteht im Übergang von der pädiatrischen in die allgemeine medizinische Versorgung. Häufig fehlen relevante Informationen, um den individuellen Unterstützungsbedarf zu ermitteln und entsprechend reagieren zu können.

Univ.-Prof. Dr. Ruth Ladenstein setzt sich für den Survivorship-Passport zur Nachsorge von Kinderkrebs-Überlebenden ein.“ (c) Gilbert Novy

Alle Infos in einem Pass
Der sogenannte Survivorship Passport soll diese Lücke europaweit schließen und die Langzeitnachsorge verbessern. Zur bestmöglichen Implementierung des europäischen digitalen Survivorship Passports fördert die EU das Forschungsprojekt „PanCareSurPass” mit vier Millionen Euro im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020. Das Dokument bietet den Überlebenden einen detaillierten und vollständigen Überblick über ihre Diagnose, Behandlung und ihren Krankheitsverlauf. Zusätzlich liefert es dank eingebauter Algorithmen evidenzbasierte, personalisierte Empfehlungen für die Langzeitnachsorge. Damit soll es gelingen, den Gesundheitszustand von Survivors häufiger und intensiver als bisher zu überwachen – und zwar stets vor dem Hintergrund der individuellen Krankheitsgeschichte. Das könnte auch den Einstieg ins Berufsleben und die Aufrechterhaltung einer Berufstätigkeit erleichtern. Univ.-Prof. Dr. Ruth Ladenstein, MBA, cPM, Leiterin der Entwicklung der Implementierungsstrategie im PanCareSurPass-Projekt und Leiterin der Abteilung für Studien und Statistik S²IRP der St. Anna Kinderkrebsforschung in Wien, kommentiert:

„Die Implementierung des Survivorship Passport auf EU-Ebene ist in vielerlei Hinsicht ein Erfolg und ein Schritt zur Überwindung der Ungleichbehandlung von Survivors in der Gesellschaft. Auf Basis dieses Tools können entsprechende Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt und, falls notwendig, mit gezielten diagnostischen Maßnahmen geeignete Therapien gefunden werden.“

Breit implementieren und beforschen
Bislang ist der Survivorship Passport noch nicht EU-weit erhältlich. Durch Ladensteins intensiven Einsatz wurde das Konzept aber bereits mit Unterstützung des Onkologiebeirats im Österreichischen Krebsplan als wichtiges strategisches Ziel verankert. 2021 ist es durch Ladensteins Mitarbeit im europäischen Cancer Mission Board gelungen, das Konzept des Survivorship Passports für alle Altersgruppen auch im europäischen Krebsplan zu implementieren. Gemeinsam mit den Survivors Österreich wurden außerdem bereits Überlegungen zu Vernetzungen mit der elektronischen Krankenakte ELGA auf Bundesebene getroffen.

Die neue SurPass-Version wird in einer Mehrländerstudie in Österreich, Belgien, Deutschland, Italien, Litauen und Spanien an ausgewählten Kliniken/Krebsregistern getestet. Vision ist es, den Survivorship Passport in den jeweiligen elektronischen Gesundheitsakten (in Österreich ELGA) in Europa zu verankern. Die beteiligten wissenschaftlichen Teams analysieren mit Patienten-Organisationen und medizinischem Fachpersonal den Survivorship Passport und relevante elektronische Schnittstellen. Die Frage, wie sich die verfügbaren Gesundheitsdaten aus verschiedenen Quellen genau und effektiv nutzen lassen, ist ein Aspekt des Projekts. Aber auch gesundheitsökonomische Aspekte der Implementierung werden analysiert.

Hierzulande wird der Verein Survivors Österreich – Kinder-Krebs-Überlebenden-Initiative die Umsetzung des PanCareSurPass-Projekts inhaltlich und gesundheitspolitisch unterstützen. „Im Rahmen unserer engen Kooperation mit der St. Anna Kinderkrebsforschung und CCI Europe, dem europäischen Dachverband für Kinder-Krebs-Hilfe-Organisationen, werden wir das Projekt mit unserer Erfahrung aus der mittlerweile 18-jährigen Arbeit mit Survivors aktiv mitgestalten“, sagt Hannah Gsell, Obfrau des Vereins Survivors Österreich und Projekmanagerin bei Childhood Cancer International (CCI) Europe.

Survivors: „Jetzt brauchen wir die Unterstützung der Politik!“
Nach ihrer Sicht als Patienten-Vertreterin gefragt, sagt Carina Schneider, Psychologin und Vorstandsmitglied im Verein Survivors Österreich und CCI Europe: „Die frühzeitige Aufklärung über mögliche Spätfolgen einer Krebserkrankung im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter ist für das eigene Gesundheitsmanagement und für die Gesundheitsvorsorge essentiell. Wenn man nicht weiß, was auf einen zukommen kann oder wahrscheinlich zukommen wird, kann man auch nicht wissen, worauf man im Sinne der Prävention und Früherkennung besonders achten soll. Es macht in Europa kaum einen Unterschied, ob du in einem reichen oder in einem armen Land lebst: Es gibt de facto kaum adäquate Versorgungsstrukturen für die Langzeitnachsorge von erwachsenen Survivors kinderonkologischer Erkrankungen. Wir sind ungeduldig! Wir arbeiten seit so vielen Jahren gemeinsam mit Kinder-Krebs-Hilfe-Organisationen wie Fachexpertinnen und -experten österreichweit und europaweit an der Entwicklung des Survivorship Passports. Jetzt brauchen wir für die Umsetzung die Unterstützung von unseren Politikerinnen bzw. Politikern und unseres Gesundheitssystems, damit Survivors die Langzeitversorgung bekommen, die sie brauchen.“