Innovative Therapien für Kinderkrebs: ITCC-Konferenz zum ersten Mal in Wien

(Wien, 23.05.2023) Am 25. Mai startet die erste zweitägige Konferenz des Konsortiums für „Innovative Therapies for Children with Cancer in Europe“ (ITCC) in Wien. Die St. Anna Kinderkrebsforschung, das St. Anna Kinderspital, und die Pädiatrische Neuro-Onkologie der Medizinischen Universität Wien begrüßen dabei Wissenschafter:innen aus ganz Europa und den USA. Das gemeinsame Ziel: Kinderkrebs in Zukunft besser behandeln können.

Bösartige Erkrankungen wie Krebs zählen noch immer zu den häufigsten Todesursachen von Kindern und Jugendlichen. Das Konsortium für „Innovative Therapies for Children with Cancer in Europe“ (ITCC) ist eine der größten Arbeitsgemeinschaften im Bereich der pädiatrischen Onkologie, die die Entwicklung neuer Therapien für die Behandlung von Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen vorantreibt. Zum ersten Mal tagt die ITCC nun in Wien – und das gleich für zwei Tage.

„Wir freuen uns, die ersten ITCC Scientific Days in Wien zu veranstalten! Gemeinsam mit dem St. Anna Kinderspital und der Medizinischen Universität Wien haben wir ein inspirierendes Programm zusammengestellt und konnten renommierte Krebsforscher:innen als Keynote-Speaker gewinnen ”, sagt Univ.-Prof. Dr. Kaan Boztug, Wissenschaftlicher Direktor der St. Anna Kinderkrebsforschung, der die Scientific Days mitorganisiert.

Grundlagen verstehen, um Behandlung zu verbessern

Bisher trafen sich die Mitglieder der ITCC einmal pro Jahr in Paris, um in ihren Arbeitsgruppen neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu diskutieren. Nun öffnet die Konferenz ihre Türen auch für Forscher:innen außerhalb der ITCC und findet – auf Initiative österreichischer ITCC-Mitglieder – erstmals in Wien statt. Inhaltlich liegt der Fokus der Konferenz auf den drei Säulen der ITCC: Leukämie und Lymphome, Solide Tumore, und Hirntumore. „Die Scientific Days fungieren als kraftvolle Brücke, die Jung und Alt zusammenführt, um Grenzen zu überschreiten und neue Innovationen zu schaffen. Hier vernetzen sich Wissenschafter:innen und Expert:innen, um gemeinsam an der Verbesserung der Behandlung von Kinderkrebs zu arbeiten. Das Herzstück liegt dabei immer auf der optimierten Behandlung, während wir gleichzeitig in den Tiefen der Grundlagenforschung forschen und ein besseres Verständnis entwickeln“, fasst Priv.-Doz. DDr. Johannes Gojo von der Pädiatrischen Neuro-Onkologie der Medizinischen Universität Wien und Ko-Organisator der ITCC Scientific Days zusammen.

Genetische Veränderungen als Schlüssel zur Tumortherapie

Mit der Öffnung der Konferenz für nicht-ITCC-Mitglieder bietet sich die großartige Möglichkeit, Forscher:innen der Weltklasse einzuladen, die die drei Säulen der ITCC reflektieren. Dr. Mike Stratton, Superstar der Tumor-Genomforschung, hat an seinem Institut ein Cancer Genome Projekt ins Leben gerufen. „Unser Ziel ist es seit vielen Jahren, die Gene zu entdecken, die in Tumoren häufig mutiert sind, da diese wichtige Einblicke in die Krebsbiologie und Wege zu neuen Behandlungen bieten. Heute versuchen wir zu verstehen, wie diese mutierten Gene zu dem langen Prozess der Krebsentstehung beitragen, der in aller Stille über viele Jahre oder Jahrzehnte abläuft, bevor sich der Krebs manifestiert, und zwar mit Blick auf eine langfristige Krebsprävention“, erklärt Stratton. „Seit der vollständigen Entschlüsselung des Genoms hat sich der Schwerpunkt auf die Untersuchung der Funktionen und Regulierungen sowie der Fehlregulierungen bestimmter Gene verlagert. Das Ziel besteht nicht mehr darin, ein mutiertes Gen zu reparieren, sondern die aus der Mutation resultierenden Folgen zu korrigieren“, fügt Boztug hinzu.

Genau darauf zielt auch die Forschung von Dr. Mariella Filbin ab, Expertin für Hirntumore und ebenfalls ITCC-Keynote Speakerin. Mittels tiefgreifender molekularer Analysen von Hochrisikotumoren wie hochgradigen Gliomen oder Ependymomen, bestimmten Hirntumortypen, identifiziert sie neue therapeutische Ansätze. Sie fand heraus, dass die Tumore bei den Kindern mehr unreife Zellen enthalten als bei Erwachsenen. Diese Zellen können sich sehr schnell vermehren und wuchern, was wohl die hohe Aggressivität bei Kindern mit diesen Erkrankungen erklärt. „Detaillierte molekulare Untersuchungen von Tumoren auf Einzelzellebene erlauben uns Kenntnisse der molekularbiologischen Eigenschaften einzelner Tumorzellen im Tumorgewebe zu gewinnen. Dadurch können wir neue, vielversprechende Therapieansätze ableiten. Erste Tests in diese Richtung sind sehr vielversprechend und werden derzeit im Labor untersucht“, erklärt Filbin.

Big Data erleichtert Therapieentscheidungen

Oft geht es in der Krebsforschung darum, fehlregulierte Gene mit bestimmten Symptomen und entsprechenden Therapiemöglichkeiten in Zusammenhang zu bringen – eine Herausforderung, die dank zentraler Datenbanken erleichtert wird. Ein Musterbeispiel dafür ist die Forschung von Dr. Soheil Meshinchi, Fachexperte für Leukämie, insbesondere der akuten myeloischen Leukämie (AML) und Keynote Speaker der ITCC-Konferenz. Er untersuchte die genetische Information von fast 1.000 Kindern, die an AML-Studien der Children’s Oncology Group (COG) teilnahmen. Dabei entdeckte er, dass Mutationen, die bei erwachsenen AML-Patient:innen häufig vorkommen, bei pädiatrischen Patient:innen fast nicht vorhanden sind. „Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit und erleichtern die Entwicklung von altersgerechten zielgerichteten Therapien für die Behandlung der pädiatrischen AML“, sagt Meshinchi.

Die Herkunft von Krebs verstehen

Auch Dr. Sam Behjati, der ebenfalls als Keynote Speaker eingeladen wurde, ist Experte für Leukämie. „Unsere Forschung bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Krebsgenomik und Einzelzelltranskriptomik. Ziel ist es, die Identität und Herkunft von Krebszellen zu entschlüsseln.“ Das ist wichtig, weil nicht immer eruiert werden kann, aus welchem Gewebe sich eine Krebszelle ursprünglich entwickelt hat. Ein Beispiel dafür ist eine von Behjatis Studien zur Entwicklung akuter B-Zell-Lymphoblasten-Leukämie (B-ALL) in Säuglingen. Diese zeigte, dass diese Krebszellen einer sehr frühen Entwicklungsphase entstammen, anders als bei anderen ALL-Arten, und den Ursprung daher unklar lässt. Um dennoch Therapien entwickeln zu können, ist es wichtig, die Wechselwirkung zwischen den Leukämiezellen und dem Organismus der Patient:innen zu verstehen, da dies Hinweise darauf geben kann, durch welche Mechanismen sie sich ausbreiten oder Resistenzen gegen Behandlungen entwickeln. Dieses Wissen ermöglicht es den Forscher:innen, gezielte Therapieansätze zu entwickeln, die diese spezifischen Eigenschaften der Krebszellen nutzen oder beeinflussen können, unabhängig von ihrem Gewebeursprung.

„Bei der Auswahl der Referent:innen war uns wichtig eine Mischung aus Grundlagenforschung und translationalen frühklinischen Studien zu haben“, so Boztug. Die Öffnung der Konferenz markiert einen Meilenstein, der es ermöglicht, neue Ideen und Ergebnisse in die Gemeinschaft einzubringen und einen breiteren Dialog zu fördern. „Wir können uns auf hochkarätigen Abstracts freuen, die von den molekularen Grundlagen bis hin zum Drug Screening im Bereich der pädiatrischen Onkologie reichen. Damit setzt die diesjährige ITCC-Konferenz neue Maßstäbe in der Zusammenarbeit und im Austausch zwischen erstklassigen Forscher:innen, um den Fortschritt in der Kinderkrebsforschung voranzutreiben“, sagt Univ.-Doz. Dr. Michael Dworzak, Stv. Ärztlicher Direktor St. Anna Kinderspital und Ko-Organisator der ITCC Scientific Days.