Neueste Krebstherapien auch für Kinder verfügbar machen

(Wien, 9.12.2022) Wie Erwachsenen-Medikamente aus der Gruppe der MAP-Kinase-Inhibitoren weltweit einheitlich auch bei Kindern mit Krebs eingesetzt werden können, wurde nun in einem Statement im renommierten European Journal of Cancer dargelegt. Unter den Autor:innen finden sich Interessensvertreter:innen aus allen relevanten Bereichen, darunter DDr. Caroline Hutter, Wissenschaftlerin an der St. Anna Kinderkrebsforschung, Onkologin im St. Anna Kinderspital und Spezialistin für die seltene Kinderkrebsart Langerhans-Zell-Histiozytose (LCH). Ihr geht es darum, das wirksamste und verträglichste Medikament aus dieser Gruppe in einer klinischen Studie zu prüfen, und damit eine rasche Marktzulassung und Verfügbarkeit für Kinder zu ermöglichen.

Im Mai dieses Jahres versammelten sich Kinderonkolog:innen, Elternorganisationen, Vertreter:innen von Pharmafirmen und Arzneimittelbehörden in einem pädiatrisches Strategieforum an einem Tisch, um einen großen Erfolg der Erwachsenenmedizin endlich auch für Kinder zugänglich zu machen. Bei diesem Erfolg handelt es sich um die Therapie mit Medikamenten, die den Signalweg der sogenannten Mitogen-aktivierten Proteinkinase (MAPK) in Krebszellen hemmen. Dieser Signalweg ist häufig genetisch verändert, wodurch er dauerhaft aktiv sein und damit das Tumorwachstum begünstigen kann. Er ist daher ein wichtiger Angriffspunkt für Medikamente bei Erwachsenen.

Das Treffen wurde von der internationalen Plattform ACCELERATE, therapeutische Innovationen für Kinder und Jugendliche mit Krebs, organisiert, gemeinsam mit den europäischen und amerikanischen Arzneimittelbehörden EMA (European Medicines Agency) und FDA (Food & Drugs Administration).

„For Adults only“ – Nur für Erwachsene
Auch bei Kindekrebs kann der MAPK-Signalweg dauerhaft aktiviert sein, z.B. bei der Langerhans-Zell-Histiozytose, bei kindliche Hirntumoren und anderen Krebsarten. Derzeit ist jedoch noch kein einziger MAPK-Hemmer für Kinder mit LCH zugelassen, obwohl sie im sogenannten Off-Label-Gebrauch, – also ohne Zulassung durch die Arzneimittelbehörden- eine sehr hohe Wirksamkeit gezeigt haben.

Die rasche Entwicklung und Bewertung von Medikamenten-Kombinationsansätzen, die auf einem tiefen Verständnis der Tumorbiologie beruhen, ist also erforderlich, um Ansprechraten zu verbessern und mögliche Nebenwirkungen zu erfassen. Bei Kindern muss zusätzlich besonders auf Langzeitfolgen geachtet werden und bei Gehirntumoren bzw. solchen, die dort Metastasen bilden, ist eine hohe Durchdringung der Blut-Hirn-Schranke durch das Medikament entscheidend für seine Wirksamkeit.

Dringend erforderlich: Klinische Studien bei Kindern
Derzeit ist bei Kindern mit LCH unklar, wie MAPK-Inhibitoren eingesetzt werden sollen – wenn auch die Effekte im Off-Label-Gebrauch mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass diese Substanzen wirksam sind, aber eine Kombination mit Chemotherapie brauchen.

Es braucht also koordinierte klinische Studien, um die bestmöglichen Behandlungsstrategien mit MAPK-Inhibitoren bei Kindern zu ermitteln. Dabei müssen die Studien so gestaltet werden, dass sie alle Auflagen für eine sofortige Zulassung nach Studienabschluss erfüllen.

Gemeinsam an einem Tisch: Von Anfang an Einbindung aller Interessensvertreter
Aus dem oben genannten Treffen ging schließlich ein Statement hervor, das im European Journal of Cancer veröffentlicht wurde. Caroline Hutter sieht das als wichtigen Schritt in die richtige Richtung: „Das Besondere an diesem Treffen war, dass alle unterschiedlichen Interessensvertreter:innen an einem Tisch gesessen sind und gemeinsam an der Lösung des Problems gearbeitet haben. Kinderkrebs ist selten. Man muss daher von Anfang an so konstruktiv wie möglich zusammenarbeiten und möglichst früh an alles denken. Das ist ganz anders als bei Erwachsenen. Eltern konnten ihre Sorgen bezüglich möglicher Langzeiteffekte vorbringen und von den Arzneimittelbehörden kamen entscheidende Tipps, wie die Studien anzulegen sind, damit sie alle Kriterien für eine rasche Medikamentenzulassung erfüllen“, so die Expertin. Der nächste Schritt für Kinder mit LCH oder anderen geeigneten Krebserkrankungen sei nun die gemeinsame Erarbeitung von rundum „kugelsicheren“ Studien-Protokollen mit MAPK-Inhibitoren.

Publikation:
Paediatric Strategy Forum for medicinal product development in mitogen-activated protein kinase pathway inhibitors: ACCELERATE in collaboration with the European Medicines Agency with participation of the Food and Drug Administration. Eur J Cancer. 2022 Oct 14;177:120-142.
Pearson AD, Allen C, Fangusaro J, Hutter C, Witt O, Weiner S, Reaman G, ……., Vassal G. DOI: 10.1016/j.ejca.2022.09.036

Über ACCELERATE:
https://www.accelerate-platform.org/

Über Caroline Hutter:
DDr. Caroline Hutter (MD, PhD) ist Oberärztin in der pädiatrischen Onkologie am St. Anna Kinderspital und Principal Investigator an der St. Anna Kinderkrebsforschung in Wien, Österreich. Nach dem Studium der Medizin an der Medizinischen Universität Wien promovierte Hutter am Imperial Cancer Research Fund / Cancer Research UK in London, wo sie im Labor von Fiona Watt die Rolle von Integrinen in Stammzellen untersuchte. Danach wechselte sie in das Labor von Meinrad Busslinger am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien und absolvierte eine Ausbildung in Pädiatrie an der Medizinischen Universität Wien und am St. Anna Kinderspital. Ihr besonderes Interesse gilt der Präzisionsonkologie, schwer behandelbaren Krebsarten und Histiozytosen. Ihre Laborforschung konzentriert sich auf die Pathogenese und Behandlung der Langerhans-Zell-Histiozytose.